Ein kurzer Blick auf die Geschichte des Mosaiks und seine moderne Version

Das Mosaik (italienisch musaico = Kunst der Musen) ist die Kunst, Wand und Boden mit Motiven und Figuren zu schmücken. Ihre Ursprünge liegen weit zurück, als man auf feuchtem Boden, zu einer einfachen Bepflasterung, Steine einlegte.Bereits 3 OOO Jahre vor Christus dekorierte man in Mesopotamien Säulen mit Mosaikmustern inTerracotta (Staatliche Museen Berlin).Diese besondere Mosaikkunst entwickelte sich haupt- sächlich im alten Griechenland und im gesamten Mittelmeerraum. Sie besteht darin, auf einer entsprechend vorbereiteten Fläche mit einer Schicht aus Stuck, Gips oder Kalk verschiedenfarbige oder einfarbige Glaswürfelchen einzulegen, um sich wiederholende ornamentale Motive zu schaffen: tesselatum. In der Welt der Griechen und der Römer war das Mosaik ein bedeutendes künstlerisches Mittel, das seinen Höhepunkt in Kunst und Architektur in der frühchristlichen und byzantinischen Epoche erreichte. Wegen seiner Stabilität, seiner Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit und Witterungseinflüsse und seiner davon nicht beeinflußbaren Leuchtkraft der Farben war das Mosaik ein praktisches und beliebtes Dekor der Architektur im Mittelmeerraum, besonders bei den Römern.

Allmählich verbreitete sich das Mosaik, es verließ die primitiven, sich immer wiederholenden geometrischen Muster des vermiculatum und eroberte oft floreale Formen und Figuren oder emblemata (zum Beispiel "die komischen Spieler" aus Pompej) oder "Opus Segmentatus" (Basilika und Turm in Aquileja). In den Mosaikarbeiten tauchen nunmehr Figuren mit Intarsien "crustae marmoree", "Opus Sectile"(Arbeit in Stückchen) oder "commesso di marmi" (zusammengefügte Marmorstücke) auf (der Boden der Kathedrale in Siena). Oder der berühmte Tiger, der ein Kalb angreift, ein Werk aus dem Jahre 331 n. Chr., jetzt im Besitz der Kapitolinischen Museen Roms, wovon uns Enrico Fraschetti eine wunderbare Kopie in kleinerem Format liefert.

Die christliche und die byzantinische Kunst des Mittelalters brachten das Wandmosaik zur Blüte, insbesondere mit den verschiedenartigen Inklinationen der Flächen der Mosaiksteinchen: Durch den unterschiedlichen Lichteinfall erhalten jetzt die Figuren eine besondere Betonung, oft realisiert in "Opus Tarsia" oder in "Opus Sectile" (Kirche San Clemente in Rom, Mausoleum der Galla Placida in Ravenna).

In Venedig und in Ravenna entstehen Mosaikschulen und dann insbesondere in Rom, mit Scharen von Mosaikexperten, speziell den Cosmaten, welche vom XI. bis zum XIII. Jahrhundert und auch noch etwas später fast alle römischen Kirchen verschönern mit Bodenwerken, die nach Stil und Herstellung unverkennbar sind (San Clemente und Santa Maria in Trastevere in Rom).

Woher nahmen "die Cosmati" als römische Mosaikkünstler den Rohstoff Stein? Sie nahmen ihn aus den alten römischen Palästen und Wohnungen der Römer und setzten jene Plünderungen fort, die bereits die reichen Steinkunstwerke des kaiserlichen Roms zerstört hatte, für die Rom in der antiken Welt berühmt war. Nachdem diese Quelle zum Nullpreis - die alten Römer hatten die Kunstwerke aus der ganzen Welt zusammengetragen bzw. geraubt - erschöpft war, verfiel die Produktion und die entsprechende Schule der Cosmaten geriet in Vergessenheit.

Das Intarsienmosaik, also das "commesso di marmi", bei dem eine ähnliche Technik angewandt wurde wie bei den Holzintarsien, war weit verbreitet und wurde hauptsächlich zur Verkleidung von Wänden und als Bodendekor verwendet, in Fortsetzung der Tradition des antiken "Opus Sectile". Diese Technik - man schneidet die benötigten Einzelteile nach der gezeichneten Vorlage aus dem Stein und fügt dann die beschliffenen Teile zum Bild zusammen - wurde insbesondere in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters sehr oft angewandt (Sant Ambrogio in Mailand, San Vitale in Ravenna).

In Venedig, in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, kehrte man zum großflächigen Wandmosaik zurück, das die venezianischen Künstler in ganz Europa verbreiteten (Kathedrale von Amalfi, Atrium der Opéra in Paris). Und ausschließlich Italiener waren die Mosaikkünstler, welche in London, Paris und Petersburg im XIX. Jahrhundert wirkten.

Jedenfalls war aber die Mosaikkunst bereits seit dem XVII. Jahrhundert auf dem Rückzug, nachdem man in der Toskana die "scagliola" Stuckgipsarbeit entdeckt hatte, die es gestattete, Rahmen, Stuckwerke, Reliefs oder andere künstlerische Arbeiten viel günstiger und einfacher und vor allem wesentlich preiswerter zu realisieren als mit dem "Opus Sectile" aus Stein. In der Zeit des Faschismus, beim Versuch, die Glorie des römischen Reiches wieder zu beleben, wurden verschiedene Böden in einfarbigem Mosaik hergestellt.

Man mußte aber auf Enrico Fraschetti warten, um eine Wiedergeburt des "Opus Sectile" zu erleben, die Mosaikkunst, die modern hergestellt wird, nicht mehr wie früher auf breitflächigen Wänden, sondern als transportierfähiges Bild aus Naturstein. Anfangs widmete dieser Künstler seine Arbeit den Rahmen für Bilder, Spiegel und Tischplatten. Es sind dies besonders wertvolle Werke, einmalig in Zeichnung und Farbenvielfalt, sowie in der Genauigkeit der Flächen- und Winkelaufteilung. Bei seinen späteren Arbeiten entdeckte er die Figur und widmet sich dieser mit Energie und Begeisterung. Er erfindet geniale Techniken, damit das Marmor- oder Granitbild perfekter wird und dann mit einem ganz normalen Haken an jeder Wand befestigt werden kann.

Mit seinen Werken liefert uns Fraschetti eine meisterliche Interpretation aus Stein der berühmtesten Bilder oder Zeichnungen, die dem ursprünglichen Künstler nichts wegnehmen, die aber in ihrer Steinversion die gleichen visuellen und emotionalen Gefühle auslösen, die wir aus dem Original der Malerei auf Leinwand oder als Zeichnung kennen (siehe "Der Kuss" von Hayez in der Pinacothek Brera in Mailand oder "Pferd und Reiter" von Leonardo da Vinci).

Schließlich bringt es dieser Künstler fertig, in uns mit seinen Bildern, zu denen er von den Werken berühmter Künstler inspiriert wurde, die gleichen Emotionen zu wecken, indem er statt Farben Granit oder Marmor benutzt, der im Gegensatz zum Pinsel keine Schattierungen, Nuancen oder besondere Details gestattet. Der Granit fordert klare Formen.Eine solche Reduzierung auf das Wesentliche und die Aufhebung des Details findet sich auch in der modernen Kunst: im Impressionismus.

Und was kann man über die Farben des Granits sagen? Jeder Maler kann eine Farbe nachahmen, die Michelangelo in der Capella Sistina benutzt hat, aber den ägyptischen roten Porfido, dem man in allen Arbeiten der Cosmaten begegnet, findet man auch in den römischen Basiliken, in den adrianischen Grabmalen in den Vatikanischen Museen - der Sarkophag von Napoleon in Paris wurde aus ihm gefertigt - existiert nicht mehr. Den Steinbruch , aus dem der Porfido stammte,gibt es nicht mehr. Und das Gleiche gilt für das Gelb von Numidien, für den grünen Serpentino und für viele andere Granit- und Marmorsorten, deren Brüche erschöpft sind. Nachdem die Menschheit Jahrhunderte lang die Ressourcen dieses wertvollen Naturmaterials abgebaut hat, wird sie eines Tages diese als Rarität suchen und eines traurigen Tages diese dann durch Kunststoff ersetzen.

Eine weitere Überlegung ergibt sich aus den unnachahmlichen Äderungen und Körnungen der verwendeten Marmor- und Granitsorten. Ein begabter Maler kann ein Meisterwerk von Raphael perfekt kopieren, es wird aber unmöglich sein, ein "Sectile" genanntes Werk genau nachzuarbeiten, da es unmöglich ist, jenen Stein, mit jener Körnung, mit genau jeder Äderung und Farbnuance zu finden, die beim Originalwerk verwendet wurde. All das, was ein "einmaliges Stück" - ein Unikat -darstellt, das nicht exakt gleich reproduzierbar ist, hat einen unermeßlichen Wert. Die Arbeiten dieses Künstlers sind wirklich "unnachahmlich" - sie sind einmalig. Wer hatte jemals vorher daran gedacht, ein Bild aus Granit zu schaffen, das man an einer Wand aufhängen kann? Die Mosaikwerke der Antike waren für großflächige Böden, mit Wiederholungen geometrischer Motive hergestellt worden, siehe die großen Arbeiten der Cosmaten in den römischen Basiliken oder die Wände mit religiösen Figuren der großen Künstler der byzantinischen Mosaikkunst (Ravenna). Es wäre wünschenswert, eine Schule für junge und auch begabte Menschen zu gründen, die sich von dieser besonderen Form der heute erneuerten Kunst "Opus Sectile" angezogen fühlen. Diese Schule könnte jene besonderen Techniken aufnehmen und fortsetzen, welche der Künstler Fraschetti in den vergangenen Jahren neu erfunden , verfeinert und angewendet hat, damit dieses große technische und künstlerische Vermögen nicht verloren geht. Es wäre ein bedauerlicher Verlust. Unsere Nachfahren, welche eine Bezeichnung, einen genau definierten Namen dieser speziellen Mosaikkunst geben sollen, wovon Efras (so zeichnet der Künstler seine Arbeiten), der Initiator und Erneuerer ist, werden nicht umhin können, die Intuition dieser Neuheit zu respektieren und sie vielleicht Opus Nova taufen.

L. Cianone